Kaum habe ich das Behandlungszimmer betreten, raunt es: „Da, wo ich herkomme, sagt man als erstes: Guten Tag!“ – „Und da, wo ich herkomme, sagt man Moin.“ Der 1,60m kleine Arzt grinst. Ich auch, obwohl mir das weh tut. Bevor er mich untersucht, will er wissen, warum ich erst jetzt einen Arzt aufsuche, wenn ich die letzten fünf Tage auch so ausgehalten habe. Ich berichte von schlechten Erfahrungen mit Ärzten und meinen Vorbehalten gegenüber der Schulmedizin. Er berichtet von seinen schlechten Erfahrungen mit Privatpatienten, weil die ihre Rechnungen immer zu spät bezahlen. „Wir arbeiten heute mal an unser gegenseitigen Beziehung, okay?“ Nachdem er mir ein Rezept und einen gelben Zettel ausgestellt hat, sprechen wir über eine Inszenierung von Faust 3, die ihn stark amüsiert hat, weil dort alle auf hochhackigen roten Schuhen herum liefen. Ich will für immer seine Patientin bleiben, statt nur kurz in dieser Notsprechstunde im Krankenhaus. Er seufzt. „Das hat leider wenig Zukunft mit uns. Ich habe keine Praxis mehr, denn das ist mir viel zu anstrengend. Ich mach es so, wie Sie später hoffentlich auch. Ein freischaffender Künstler. Heute hier, morgen dort.“
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